Karin Nohr, Schriftstellerin

Katathym Imaginative Psychotherapie

Rezension von link Werner Fuchs, Amazon-Kundenrezension vom 26.02.2010

Über das Verhältnis eines Musikers zu seinem Instrument ließe sich bestimmt ein Buch schreiben, das eine größere Leserschaft erreichen würde. Aber ein solches Werk enthielte auch mehr Spekulatives und verträte wohl psychologische Gemeinplätze, die heute nicht mehr haltbar sind. Die Psychoanalytikerin Karin Nohr hat sich glücklicherweise für ein anderes Konzept entschieden. Sie möchte den besonderen Beziehungen zwischen Musikern und ihren Instrumenten zwar ebenfalls auf die Spur kommen, nimmt aber die Mühe auf sich, ihr methodisches Vorgehen immer wieder zu reflektieren. Das ist zwar stellenweise mühsam für den Leser, wird dem Untersuchungsgegenstand jedoch gerechter. Nur sollten Liebhaber von Musikerbiografien wissen, dass die Herangehensweise von Karin Nohr idealisierende und autobiographische Darstellungen oft in Frage stellen. Und enttäuscht darf man auch nicht sein, wenn am Schluss mehr Fragen offenbleiben als geklärt werden. Das liegt auch daran, dass sich die Musikpsychologie mehr der Wahrnehmung widmete und Besonderheiten des aktiven Musizierens erst in letzter Zeit in den Blickwinkel gerieten, wobei die Kreativitätsforschung wertvolle Denkanstöße bietet. Nur, lediglich von Wunderkindern und beseelten Verhältnissen zur Musik zu sprechen, bringt nicht viel Erhellendes. Da sichtet man tatsächlich lieber die vielen Studien von Persönlichkeits- und Entwicklungspsychologen oder der Musiksoziologie und versucht brauchbare gemeinsame Nenner herauszuarbeiten. Eine Ahnung, welche Arbeit die Autorin sich damit einhandelte, gibt die zwölfseitige Literaturliste.

Wer einen ähnlichen Ansatz wie Karin Nohr verfolgen will, muss sich zudem mit Büchern beschäftigen, die keinen wissenschaftlichen Anspruch haben. Denn zur Methodik der Autorin gehört die Auswertung von Autobiographien. Und nachdem sie die Gründe für ihr Vorgehen erläutert, geht Karin Nohr auf die Quellenlage ein. Zwar finde ich es persönlich schade, dass die Selbstbiographien von Musikern aus dem 18. und 19. Jahrhundert ebenso unberücksichtigt bleiben wie die Autobiographien der U-Musiker. Auch weil farbige Jazz-Musiker oft autodidaktische Lernwege beschritten und andere soziale Hintergründe als E-Musiker haben. Aber ohne sich gezielt zu beschränken, kommt man eben nicht zum Ziel. Und 41 Lebensbeschreibungen aufmerksam zu lesen und auszuwerten, ist eine Leistung, die Respekt verdient.

Das Buch von Karin Nohr interessierte mich auch deshalb, weil die Lebenslaufforschung relativ jung ist und wertvolle Beiträge zur Prägung neuronaler Muster liefert. Unter dieser Optik las ich das Buch also ebenfalls und stieß daher auf Zusammenhänge, die ich in anderen Werken der Musikpsychologie nicht entdeckte, vor allem im Kapitel "Vergleichende Auswertung von 41 Instrumentalisten-Autobiographien". Auf diesen Seiten versucht die Autorin auch eine Typologie der Musiker-Instrumenten-Beziehung zu entwerfen, hütet sich aber vor allzu großen Vereinfachungen und Generalisierungen. Im fünften und letzten Kapitel stellt sie dann noch vier Einzelfälle vor, die da sind: Pablo Casals, James Galway, Gidon Kremer und Jan. I. Paderewski.

Mein Fazit: Diese 1997 erschienene Studie hat eine Neuauflage verdient, weil es zu diesem Thema zwar viele Einzeluntersuchungen gibt, aber kaum Werke, die Spekulatives durch eine nachvollziehbare Methodik ausgrenzen oder erkennbar machen. Zu Recht weist die Autorin auch immer wieder darauf hin, welche Aspekte bisher kaum beachtet und genauer untersucht wurden. Auch wenn der wissenschaftliche Ansatz manchmal auf Kosten der Lesbarkeit geht, bietet die Lektüre so viel Erhellendes, dass ich bei der Bewertung keine Sterne abziehen möchte.

Durch dieses Buch bekommt man einen guten Eindruck von der Methodik als Entscheidungsgrundlage, ob die KIP als Selbsterfahrung oder Ausbildung für einen selbst geeignet ist.

 

Karin Nohr,
Der Musiker und sein Instrument,
Gießen 2010,
ISBN 978-3-8379-2032-1,
Preis 29,90 EUR

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